Weihnachtskaufrausch

Weihnachtskaufrausch
An einem langen verkaufsoffenen Sonnabend vor vielen Jahren ging Ursula – wie jedes Jahr – auf Einkaufstour für das bevorstehende Weih- nachtsfest. Sie war wieder in einen Kaufrausch geraten und trug in je- der Hand mehrere Einkaufstüten. Zuerst war sie in ein Modehaus gegangen. Danach hatte sie sich im Zickzackkurs durch die Einkaufs- straße gearbeitet.
So landeten Ober- und Unterbekleidung, Schuhe, Spielzeug für die Tochter, Bücher, Schallplatten, Süßigkeiten und vieles mehr in diversen Plastik-Einkaufstüten. Nun steuerte Ursula noch das große Kaufhaus an, um dort ein paar Kerzen für den Weihnachtsbaum zu kaufen. Sie war schon recht erschöpft und wollte danach unverzüglich die Heim- fahrt antreten. Als sie die passenden Lichtspender gefunden hatte, stellte sie sich in die lange Warteschlange an der Kasse, um die Ware zu bezahlen.
Endlich war sie dran. Um an ihr Portemonnaie zu kommen, befreite sie sich kurzfristig von ihrer Last und stellte einige ihrer Plastiktüten auf den Tresen.
„Oh, die Kundin vor Ihnen hat ihre Tüten vergessen“, sagte die Kassiererin bedauernd, als Ursula ihr Portemonnaie hervorgekramt hatte und bezahlen wollte. Diese bot sofort ihre Hilfe an: „Geben Sie schnell her, vielleicht erwische ich sie noch.“
„Hallo, hallo!“, rief Ursula, wild die Tüten schwenkend, und zwängte sich gegen den Strom durch die Menschenmenge in Richtung Ausgang, „. . .

Ihre Tüten!“ – Vergeblich, die Kundin war verschwunden.
Ursula kämpfte sich zurück zur Kasse. „Tut mir leid, ich habe sie nicht mehr erreicht“, schnaufte sie atemlos.
„Na, macht nichts, die Kundin wird`s sicher bald merken und zurück- kommen“, meinte die Dame an der Kasse, „ich behalte die Tüten hier zur Aufbewahrung.“ Sie ließ die Waren unter dem Tresen verschwinden und kassierte das Geld für Ursulas Kerzen.
Völlig erschöpft taumelte Ursula mit ihren erworbenen Schätzen zur Bushaltestelle. Zu der Zeit hatte sie weder Führerschein noch Auto. Sie bestieg mit letzter Kraft den Bus und ließ sich auf einen freien Sitz plumpsen, um die Heimfahrt anzutreten. Nach einigen Erholungs-
minuten und ein paar Haltestellen weiter ließ sie die letzten Stunden noch einmal Revue passieren und machte Bestandsaufnahme. Dabei entdeckte sie, dass ihr die Tüte mit den teuren Schallplatten und einiges mehr fehlte. Da fiel es ihr wie Schuppen aus den Haaren, dass sie mit ihren eigenen Tüten hinter der angeblich vergesslichen Kundin her gerannt war.
Sie stieg an der folgenden Haltestelle aus und fuhr mit dem nächsten Bus in die Gegenrichtung, um bei der Kaufhausangestellten ihre Be- sitzrechte geltend zu machen. Da Ursula jeden Titel der Schallplatten nennen konnte und sich die Kassiererin gut an sie erinnern konnte, gab es in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten.

Autor: Elke Abt

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