Ein Schnäppchen vom Flohmarkt

Ein Schnäppchen vom Flohmarkt
Der letzte Flohmarkt in diesem Jahr war Anfang November!
Die Geschäfte waren schon geschmückt und versuchten in der grauen, düsteren Jahreszeit, eine vorweihnachtliche Stimmung zu erzeugen.
Auf dem Flohmarkt hatten sich nur die ganz Harten eingefunden, die ihre Stände in der eisigen Kälte aufgebaut hatten.
Es war wenig Publikumsverkehr und man konnte in aller Ruhe die Auslagen der Händler durchstöbern.
An einem Stand fiel mir ein alter, fast ohne Farbe, verstaubter Weihnachtsbaumständer auf.
Er war ein besonderes Teil. Im Inneren befand sich eine Spieluhr, die "O Tannenbaum" spielte und gleichzeitig drehte sich der Tannenbaum im Kreis.
Er war ein Schnäppchen!
Nach einigen Versuchen gelang es dem Besitzer den Mechanismus in Gang zu setzen und eine krächzende Melodie erklang.
Aber wie "O Tannenbaum" hörte sich dies nicht an.
Diesen Weihnachtsbaumständer mußte ich haben!
Kindheitserinnerungen wurden wieder wach, nach einer zähen Verhandlung ging er in meinen Besitz über.
Zu Hause fing ich an, den Ständer zu restaurieren.
Ich reinigte das Innenleben, dann wurden ein paar Federn ausgetauscht und nach einem neuen Anstrich sah er aus wie aus dem Laden.
Damit der Weihnachtsbaumständer am Heiligabend zu seinen vollen Ehren kam, kaufte ich noch einen schönen Tannenbaum!
Ich stellte ihn ein und es erfolgte der Probelauf,
die Melodie erklang und der Baum drehte sich im Kreis, die Reparatur war gelungen!
Im Weihnachtszimmer wurde der Baum wie in meiner Kindheit geschmückt!
Ich verwendete echte Weihnachtskerzen als Beleuchtung.
Dann kamen die Kugeln aus Glas, mundgeblasen und als Spitze, ein Rauschgoldengel!
Der Abschluss, Süßigkeiten, das Lametta und Engelshaar.
Der Weihnachtsbaum sah toll aus, Weihnachten konnte beginnen!
Die ganze Familie war im Weihnachtszimmer versammelt, meine Überraschung war gelungen!
Ich löste die Sperre von der Spieluhr, der Baum fing an sich zu drehen und ließ

die Melodie, "O Tannenbaum", erklingen.
Plötzlich, ein Knarren in der Spieluhr, der Baum schüttelte sich, die Glaskugeln schlugen aneinander, es hörte sich an, als wenn sie zerbrachen.
Die Drehbewegung des Baumes wurden immer schneller!
Die Wachskerzen gingen aus und das Lametta verteilte sich im ganzen Zimmer.
Unser Rauschgoldengel hob von der Baumspitze ab und flog aus dem offenstehen Fenster in die Nachbarwohnung, wo er mit einem lauten Platschen in der Suppenterrine vom Nachbarn landete.
Das Engelshaar und die Süßigkeiten verschönerten unsere Tapete und wir wurden gleich mitdekoriert.
Ich erwachte aus meiner Starre, versuchte krampfhaft den Baumständer abzustellen, vergebens.
Die Weihnachtsbaum Kugeln flogen wie Geschosse ziellos durch den Raum, zerlegte sich in unserem Weihnachtsessen, auf dem Teppichboden, selbst unser Dackel Waldi blieb nicht verschont, er flüchtete unters Sofa.
Die Familie lag auf dem Boden und versuchte sich mit den Händen zu schützen.
Ich war von oben bis unten mit Engelshaar und Lametta behangen, die gefüllten Schokoladenkugeln, die mit Nougat, zerplatzt, diese hingen an meinem Hemd.
Plötzlich ein letztes Aufjaulen, "O Tannenbaum", dann gab der Weihnachtsbaumständer seinen Geist auf.
Ganz langsam, dann immer schneller, neigte sich der Baum in Richtung Gabentisch und fiel krachen in die Geschenke.
Endlich, Stille im Raum!
Es klingelte an der Haustür!
Der Nachbar stand mit hochrotem Kopf vor der Tür, im Arm, unseren Rauschgoldengel, der mit Suppennudeln behangen war.
Auch er war durch die Landung des Engels in seiner Terrine nicht verschont geblieben.
In seinen Haaren, der Brille und an seinem Sonntags Hemd hing die Eierspeise.
Verdutzt sah er mich an, und sagte:"Ich wollte ihnen nur ihren Ausreißer zurück bringen, aber so wie sie aussehen, ist es kein Wunder, dass der Engel die Flucht ergriffen hat!"
"Ich wünsche ihnen noch fröhliche Weihnachten!"

Autor: Dieter Siebald

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